La Madonna del Podere L'Immacolata
- Thomas
- 9. Juni
- 4 Min. Lesezeit
Unser Olivengut heisst mindestens seit 1937 "L'Immacolata", was "die Unbefleckte" bedeutet. Davon zeugt die grosse Schrift an der Frontfassade sowie das Bildnis der Muttergottes über dem Haupteingang. Das mag, in einer Zeit, wo Kirche und Glauben nicht gerade "en vogue" oder neudeutsch "hip" sind, etwas schräg und aus der Zeit gefallen anmuten.
Vielleicht haben Esti und ich gerade auch deswegen den Weg zum Podere L'Immacolata gefunden, weil auch wir etwas schräg und nicht unbedingt "hip" sind. Dass unser Olivengut der heiligen Maria gewidmet ist, bedeutet uns viel. Irgendwie gibt es uns Vertrauen in das, was wir tun. Wir sind weder heilige noch besonders fromm, über die (Un-)Taten von Angehörigen des kirchlichen Bodenpersonals ärgern auch wir uns, über die Kirchenpolitik kann man sich streiten und der Zweck heiligt nicht die Mittel, auch nicht in der Kirche. Aber, was uns sehr viel bedeutet, ist die Essenz des Glaubens. Für uns ist er eine Art Kompass. Aber keine Angst, wir wollen niemanden bekehren. Der eine meditiert, die andere findet die innere Balance im Yoga, der Dritte im Wald, andere mit Steinen in der Hosentasche oder mit Buddha, Allah oder Jahwe. Schön, wenn man einen eigenen Kompass hat, diesen lebt und aber jenen mit einem anderen Kompass ebenfalls respektiert.
"Wollen Sie wirklich schon nach Hause? Sie sind doch noch so jung". Mit diesen Worten verabschiedete mich Papst Johannes Paul II im Februar 1990 aus dem Dienst der päpstlichen Schweizergarde. Zur Erinnerung an die Zeit in der Garde übergab er eine Medaille. Auf der Vorderseite mit seiner Büste, auf der Rückseite, Ihr ahnt es, die Muttergottes. Diese Medaille befand sich nun 35 Jahre in einer Schachtel mit Fotos und Erinnerungen an meine Zeit im Vatikan. Sie ist mir lieb und teuer, eine Kartonschachtel also eigentlich nicht der würdige Ort der Aufbewahrung. Und trotzdem hatte ich über Jahrzehnte keine bessere Alternative dafür.
Seit dem Kauf des Podere L'Immacolata sprachen Esti und ich immer wieder davon, ein ruhiges Plätzen im Podere L'Immacolata der Muttergottes zu widmen. Es soll ein kleines Örtchen inmitten der Natur sein. Nicht prominent ums Haus gelegen, sondern eher etwas versteckt, unaufdringlich, kein Pomp und Kitsch, einfach still und idyllisch. Der höchste Punkt unseres Poderes liegt in einem Wäldchen. Auch ist dieser Punkt der einzige, von welchem alle drei Olivenhaine des Gutes zu sehen sind. Man sieht von dort weder ein Gebäude noch sonst eine Einrichtung. Es liegt mitten in der Natur, ist still und wenn man es nicht kennt, entdeckt man es nur durch Zufall. A propos Zufall, dass genau an dieser Stelle ein Felsen zum Boden herausragt, unterstreicht: das ist der richtige Platz!.
Impruneta ist ein Dorf unmittelbar südlich neben Florenz. Impruneta nennt man aber auch die besondere Terracotta, die aus diesem Dorf stammt. Dafür wird eine in dieser Zusammensetzung nur dort vorhandene Tonerde verwendet. Sie erträgt mehr Hitze beim Brennen und zeichnet sich dafür mit einer besonderen Witterungsbeständigkeit aus. Einer der dort ansässigen, traditionellen Betriebe ist Antica Fornace Mariani. Unsere Madonna soll weder glitzern noch mit blinbling auffallen, sondern natürlich und schlicht sein. So haben wir bei Mariani den richtigen Betrieb gefunden, welcher uns eine wunderschöne Terracotta-Madonna herstellt. Diese soll die Medaille von Johannes Paul II in den Händen halten, uns zwar so, dass beide Seiten der Medaille sichtbar sind. Die Hände der Madonna passgenau zu gestalten, ist eine besondere Herausforderung, wie uns einer der Gebrüder Mariani erzählt. Die Statue schwindet in den zwei Tagen im Brennofen um satte 10%. Dies muss bei der Proportion vor dem Brennen berücksichtigt werden. Ich drückte ihm die Medaille in die Hand und vertraute darauf: das chond scho guet!
Ein runder Felsen und eine Madonna mit einem flachen "Boden". Kein Problem, da machen wir doch einen Sockel. Je länger ich darüber nachdachte, desto mehr wurde mir bewusst, dass das ein Bürogummi wie ich nicht wirklich gut hinbekommt. Ein Glück, dass unser jüngster Sohn, Mauro, mit Leidenschaft auf dem Bau arbeitet und weiss, wie betonieren geht. Das Notstromaggregat und die damit angetriebene Kreissäge verwandeln das ruhige Plätzchen in eine kleine und laute Baustelle. Es hämmert und chlöpft und tätscht und am nächsten Tag kommt hinter der Schalung ein wunderbarer Betonsockel zum Vorschein. Eigentlich hatten wir geplant, den Sockel zu verkleiden. Da dieser nun so schön und makellos gelungen ist, lassen wir die Verkleidung sein. Das passt! Nun noch die Madonna darauf fixieren und fertig ist Mauro's Werk. Freude herrscht!
Die Geschichte der Madonna ist damit aber noch nicht fertig erzähl. Ein ganz wichtiges Kapitel folgt noch. Dieses beginnt in den 70er Jahren in der Kirche St. Maurizius in Emmen. Ich, ein Dreikäsehoch mit Hang zu Streichen, diente als Ministrant. Nebst dem Pfarrer war da ein junger Kaplan, Pater Christian Lorenz. Es war seine erste Stelle nach der Priesterweihe, er hatte noch nicht viel Erfahrung, was wir auszunützen wussten. Immer schauend "was mags ächt liide" loteten wir die Grenzen aus. Wir fanden es lustig, er vermutlich weniger. Über all die Jahrzehnte hielten meine Eltern einen freundschaftlichen Kontakt mit Pater Christian aufrecht, was dazu führte, dass sich auch unsere Wege immer wieder kreuzten. Als das Projekt "Madonna" in unseren Köpfen reifte, ist auch der Wunsch gewachsen, dass die Muttergottes eingesegnet wird. Ob Pater Christian wohl den weiten Weg dazu auf sich nimmt, und das sogar noch für den Frechdachs von früher? Welch' Frage! Spontan und erfreut sagte er zu, mit mir nach Roccastrada zu fahren und die Madonna einzusegnen. Dieser feierliche Akt durften wir an Auffahrt erleben. In dieser Woche waren enge Freunde von uns, Olivia und Cyrill Studhalter, Gäste im Ferienhaus. Herrlich, dass sie die von Pater Christian wunderschön gehaltene Feier auch begleiteten. A propos Gäste: Meine lieben Eltern, Josy und Hans, wären nur allzu gerne auch mit uns in die Toscana gefahren. Leider war das nicht möglich. Sie waren aber trotzdem dabei, Facetime sei Dank!
Nicht nur Facetime sei Dank. Ganz herzlichen Dank an all die lieben Menschen, welche zur Madonna vom Podere L'Immacolata beigetragen haben. Angefangen von den Helfern im März, die den Platz hergerichtet haben über die Gebrüder Mariani und Mauro bis zu Pater Christian. Möge dieser Platz im Wäldchen allen Besuchern Freude und Besinnung bieten, unabhängig von Herkunft, Gesinnung und Religion.
Lieber Thomas liebe Esthi
Ich freue mich immer sehr, von Euch und Eurem wunderschönen „Fleckchen Erde“ zu lesen. So bin ich in Gedanken immer ein bisschen bei Euch. 🙌🏻
Sehr schön, diese Geschichte🥰
Es liebs Grüessli us de Schwiz
Vo Härze♥️
Andrea
gratulation 👏 thomas du bist ein perfekter und sehr interessanter autor ❣️ der beitrag hat mich sehr gefreut 😍